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Wandel der Zeit – Wandelt die Lieder!
Dunkel Hell

Wandel der Zeit – Wandelt die Lieder!

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  • Eine Passauer Studentin hat eine Petition gegen das Donaulied gestartet. Dieses verharmlose Vergewaltigung und sei nicht mehr zeitgemäß. Kurze Zeit später wurde dann eine Gegenpetition gestartet. Ein Kommentar.

Gesungener Bierzeltseximus

An der Donau aufgewachsen, am Donau-Gymnasium Abitur gemacht und an der Donau-Wiesn gefeiert – das war und ist meine Jugend. Natürlich kenne ich das Donaulied und habe es schon unzählige Male gehört – auch von Frauen. Doch da gibt es diese Zeilen im Lied, welche viele Mädchen im Bierzelt auslassen, sich etwas unsicher umschauen, und warten, bis sie vorbei sind. Mit „ein schlafendes Madl am Ufer ich fand“ fängt es an und mit „ich machte mich über die Schlafende her, sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr“ geht die Geschichte der Vergewaltigung weiter, die mit einer ungewollten Schwangerschaft endet. Dass diese Gewalttat von den Befürworter*innen des Liedes auch noch geleugnet wird, scheint wie ein schlechter Witz. Das Verbot des Liedes wäre nun ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber es wird das Sexismus-Problem in bayerischen Bierzelten, das auch in dieser Verharmlosung der Gewalttat mitschwingt, nicht lösen.

Es gebe doch wichtigere Dinge, heißt es in sozialen Netzwerken oft zu dem Thema. Ganz nach dem Motto „Habt ihr denn sonst keine Probleme?“, machen sich Nutzer*innen über die Aufregung lustig. Würde man bei solchen Debatten danach gehen, dürften Frauen heute noch nicht arbeiten oder Auto fahren. Schließlich „gibt es ja Wichtigeres.“ Das ist schlicht kein Argument. Wenn sich Frauen an diesem sexistischen Lied stören, dann ist das wichtig. Und sie sollen entscheiden, was mit diesem Lied passiert.

Tradition bedeutet nicht gleich „richtig“!

Auch eine neue Verbotskultur in Bayern fürchten die Befürworter*innen des Donaulieds. „Das haben wir schon immer so gesungen“, lautet das uralte Dogma. Das Gleiche hätte man bei den ersten beiden Strophen der deutschen Nationalhymne auch sagen können. Richtig und zeitgemäß wird der Text dadurch aber auch nicht. Die Zeiten haben sich geändert und das sollte sich auch in den Liedern, die wir singen, widerspiegeln.

Denn Sprache formt das Denken. Deshalb gendern wir, deshalb verwenden wir das „N‑Wort“ nicht mehr und deshalb sollte auch dieses Lied aus unserem Sprachgebrauch gelöscht werden. Es mag Bierzeltbesucher*innen geben, die nach diesem Lied niemanden belästigen oder gar vergewaltigen. Es sind glücklicherweise sogar die allermeisten. Aber das ist nicht der Punkt. Reicht es denn nicht aus, dass dieses Lied eine solche Gewalttat verharmlost? Reicht es denn nicht aus, dass es sexistisch ist und Opfer einer Sexualstraftat in eine schreckliche emotionale Situation katapultiert werden, wenn sie diese Zeilen hören?

Letztendlich geht es bei der Petition doch um mehr als ein Verbot. Es geht ums Prinzip: Wollen wir ein Lied, das Vergewaltigung verherrlicht, wirklich als Teil unserer Kultur bezeichnen? Wollen wir, dass unsere Kinder mit dem gleichen sexistischen Text aufwachsen werden? Ich kann diese Fragen eindeutig mit nein beantworten. Ein Verbot des Liedes wird sicherlich schwierig durchzusetzen, aber die Passauer Studentin könnte es schaffen, dass Bands dieses Lied nicht mehr bedenkenlos auf ihrer Setlist setzen. Sie könnte bewirken, dass die Gesellschaft es nicht mehr kollektiv hinnimmt, dass dieses Lied gegrölt wird. Wir machen jetzt endlich unseren Mund auf, wenn jemand dieses Lied anstimmt. Ein Verbot sollte gar nicht nötig sein – denn eine vernünftige Gesellschaft regelt das im besten Fall selbst.

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