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Bamberg goes Poetry
Dunkel Hell

Bamberg goes Poetry

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  • Wenn man an Bamberg denkt, dann denkt man vor allem an Kleinstadt, Geschichte, verstaubte Kunst. Doch das Bamberg auch anders kann, zeigt Christian Ritter. Zusammen mit dem ETA-Hoffmann-Theater hat er das erste Best of Poetry Slam Deutschland in Bamberg veranstaltet. Zwei unserer Redakteure waren vor Ort.

Freitag, der 05. Mai 2017. Es ist Abend, 19;45 Uhr. Die Luft ist feucht vom Regen. Ein kalter Wind fegt durch die Straßen vor dem ETA Hoffmann Theater. Der lange Unitag steckt noch in den Gliedern, die Müdigkeit hat fast gesiegt, man hat sich aber dann doch nochmal aufgerafft. Statt warmen Bett nun also beengender Theatersessel. Statt Ruhe vor der Partynacht nun also Kultur. Deutschlands Poetry Slam-Szene kommt heute nach Franken, zum ersten Best of Poetry Slam in Bamberg. Und im Zuschauerraum zwei Slam-Neulinge. Ein Erfahrungsbericht.

Kurz vor Kassenschluss die Karten abgeholt, die Umgebung sondiert und dann rein ins Gewusel. Buntes Treiben im Zuschauerraum, freie Platzwahl. Das hätte man früher wissen müssen. Man findet doch noch einen Platz, ganz hinten, zweiter Rang oben. Die Arme auf die Lehne gestützt, den Rücken nach vorne gekrümmt richtet man den Blick auf die große Bühne. Ganz unverkrampft natürlich. Und dann geht es los. Christian Ritter tritt auf, langjähriger Bamberger und ein Slam-Schwergewicht. Er führt durch den Abend, kündigt ein prominent besetztes Line-Up an. Sie kommen aus Berlin und aus Leipzig, aus Bochum, Hamburg und aus Nürnberg, um heute gegeneinander anzutreten. Die Erwartung steigt, aus der anfänglichen Lethargie entwickelt sich Neugier, was der Abend bringen wird. 
Aber zunächst ein wenig Theorie. Poetry Slam, die Regeln: Eigener Text, keine Verkleidung, kein Gesang. Das gesprochene Wort allein entscheidet über Sieg oder Niederlage. Wettkampflänge: Zwei Runden. Textlänge: Maximal 10 Minuten. Die Jury: Das Publikum. In der zweiten Runde das komplette, in der ersten Runde entscheidet eine exklusive Auswahl. Heute: Eine VWL-Studentin, ein FSJler, eine Psychologie-Studentin und Einer, der englische Gedichte übersetzt.

Dann geht es los. In atemberaubender Geschwindigkeit wechseln nun Vortragsstile, Thematiken, Künstler. Den Anfang heute macht Julian Kalks, 25, Vater, Nürnberger Stadtmeister. Er lässt sich aus über Hipster-Klischees, Berlin und das “irre Kreativsein”. Im Anschluss daran Jason Bartsch, Ruhrgebietskind, Verlobter, Stiefvater. Er vollführt in atemberaubender Geschwindigkeit die überzeichnete Imitation eines Pferderennenkommentators. Der nächste Slamer überrascht mit seinem Alter. 50, Ossi, Platte, mit Klemmbrett bewaffnet: Micha Ebeling überzeugt mit einem Text über sich und die Tücken des Alltags. Es folgt Viktoria Helene Bergmann, Jahrgang 1997, mehrfache Preisträgerin im Poetry Slam, die einzige Frau des Abends. Ihr Beitrag: Ein Pamphlet über ihren Hass gegenüber Frauen, Männern und Kindern. Und schließlich Skog Ogvann mit einem Text für alle Verfechter der deutschen Rechtschreibung. Die Jury entscheidet und so gehen Skog, Micha und Jason ins Finale ein.
Vorher eine Pause. Durchatmen, runterkommen. Bei (nahezu-)exquisiter Verpflegung zu (auf-jeden-Fall-) exquisiten Preisen, sinniert man über die kulturelle Tragweite und die gesellschaftliche Bedeutung des bisherigen Abends. Erstes Fazit: Der Besuch hat sich ausgezahlt, der Wunsch nach Erholung flacht ab. Die Tristess der häuslichen Comfort Zone hätte dem nichts entgegenzusetzen gehabt.
Dann: Theatergong, des Poetry Slam zweiter Teil. Es wird ein wenig ruhiger auf der Bühne, die Schnelllebigkeit aber bleibt bestehen. Während Skog einen Text über den kleinen Kuckuck Käpt´n Muck offeriert, führt Micha mit schnaubenden Nüstern aus, warum er sich eigentlich überhaupt gar nicht aufregen will und Jason kommentiert in alter Manier ein Golfturnier. Den lautesten Applaus erntet am Ende Jason Bartsch und gewinnt damit den Crazy Hoffmann, eine Büste von ETA-Hoffmann, 15 Kilo schwer, mit allerlei Glitzer geschmückt. Und so geht er zu Ende, der erste Best of Poetry Slam in Bamberg. Ein Erfolg, darf man konstatieren. Den ausverkauften Saal verlässt man euphorisch, aber auch ein wenig geplättet. Euphorisch, aufgrund der Unterhaltsamkeit des heutigen Abends. Geplättet von den vielen Eindrücken, vermittelt von fünf erstaunlich unterschiedlichen Künstlern. Poetry Slam ist anstrengend, aber auch unglaublich erheiternd.

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