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Was essen wir?
Dunkel Hell

Was essen wir?

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  • Dosenravioli oder feine Filets mit frischem Salat? Das essen Bambergs Studierende.

Dieser Artikel ist in auch unserer Ausgabe 100 erschienen

Um zwölf quält er sich aus dem Bett, schiebt erstmal die Pizza in den Ofen und kratzt die Ketchup-Reste vom saubersten Teller in der Spüle. Der faule Student — ein Klischee, älter als die abgelaufene Tütensuppe in der hintersten Ecke der WG-Küche. Doch ernähren sich Studierende wirklich nur von Pizza, Nudeln mit Sauce und Fertiggerichten? Diplom-Ernährungsberaterin Gertraud Haberecht berichtet: „Ich habe schon viele Studenten behandelt und das Vorurteil, dass sie viele Tiefkühlprodukte essen, hat sich weitgehend bestätigt. Viele haben ein solches Essverhalten in Essprotokollen angegeben.” Tiefkühlprodukte seien nicht zwangsläufig schädlich, doch „der Anteil derjenigen, die sich mit Ernährung befassen und auf eine ausgewogene Ernährung achten, ist verschwindend gering.” Die 378 Bamberger Studierenden, die an einer aktuellen Ottfried-Umfrage teilgenommen haben, widerlegen diese Darstellung.

Was auf den Tisch kommt

Mehr als die Hälfte isst jeden oder fast jeden Tag frisches Gemüse, nicht einmal jeder Sechste setzt mehr als einmal pro Woche auf Fertiggerichte. Die Mehrzahl der Studierenden bereitet stattdessen das eigene Essen frisch zu:

Sieben von acht Teilnehmern kochen in einer typischen Woche mehr als drei Mal. Diejenigen, die seltener die Schürze umbinden, geben überwiegend den Zeitaufwand als Grund an. Vereinzelt spielen ungewöhnlichere Gründe eine Rolle. „Habe nur einen Topf” oder die schmutzige WG-Küche – Studierende kämpfen mit Widrigkeiten, denen sonst wenige ausgesetzt sind. Das Tiefkühlpizza-Klischee erhärtet sich also nicht. Lieblingsessen der Bamberger Studierenden ist dennoch unangefochten Pizza; dreizehn Prozent favorisieren den Klassiker. Daneben finden sich unter den Leibspeisen Nudelgerichte in jeder Form, Burger und Sushi. Martin Zielke, Speisebetriebsleiter des Studentenwerks Würzburg, stellt fest: In der Mensa werden besonders gerne Currywurst oder Schnitzel gegessen.

Alles nur Kantinenfraß?

Die Mehrzahl der Befragten isst aber ohnehin selten in der Uni-Kantine: Fast die Hälfte besucht die Mensa in einer Durchschnittswoche nie. Nur etwa elf Prozent essen mehr als zwei Mal pro Woche dort. Der häufigste Grund ist dabei Unzufriedenheit mit dem Geschmack. „Schmeckt meist nicht schlecht, aber selbstgemacht schmeckt eben besser”, fasst eine Studentin zusammen und scheint damit nicht allein zu sein: 24 Mal wurde geantwortet, dass selbst kochen bevorzugt werde, obwohl diese Antwort nicht vorgegeben war. Die Erklärung des Betriebsleiters: Der Geschmack der Studierenden verändere sich ständig und sei so individuell, dass mit der Zahl der Gerichte kaum jeder Geschmack abgedeckt werden könne. „Uns muss das Essen nicht schmecken, sondern den Studierenden”, erläutert er. Daher versuche das Studentenwerk, durch ständig wechselnde Rezepte und Aktionswochen für Abwechslung zu sorgen. Außerdem werde auf Trends eingegangen, etwa indem Burger oder Pulled Pork in die Speisekarte aufgenommen würden. Ebenso wird die Essensauswahl in den Mensen kritisiert, ein Drittel der Studierenden wünscht sich mehr Vielfalt. Die kann aber etwa auf der Erba nicht erweitert werden, weil Kapazitäten fehlen. Die Cafeterien auf der Erba und beim Markushaus bieten jeweils ein Gericht pro Tag an. Die größte Auswahl gibt es an der Feki, die Innenstadtmensa kann mit vier bis fünf Gerichten pro Tag aufwarten. Eine Kundin könnte hingegen mit verringerter Auswahl gewonnen werden: „Mangelnde Selbstdisziplin bei der Beilagenwahl (Pommes …)” ist ihr Grund, woanders zu essen.

Fleischlos am Markusplatz

Die Beschränkung des Angebots am Markushaus auf ein vegetarisches Gericht hat sich bewährt. Während von Fleischgerichten laut Zielke maximal 90 Portionen am Tag an diesem Standort verkauft werden, werden bis zu 1 10 Teller mit vegetarischen Gerichten geleert. Fleischesser hätten in der Innenstadt die Möglichkeit, fußläufig die Mensa in der Austraße zu erreichen, wodurch niemandem eine Lebensweise vorgeschrieben würde. Auf der Erba-Insel bestehe eine solche Ausweichmöglichkeit aber nicht, weshalb dort als Kompromiss wechselnd vegetarische und fleischhaltige Gerichte angeboten würden.

Mit fast einem Viertel der Befragten ernährt sich aber gegenüber der Gesamtbevölkerung in Deutschland, die laut Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2015 einen Vegetarieranteil von 5,4 Prozent aufwies, ein außergewöhnlich hoher Anteil der Bamberger Studierenden ausschließlich fleischlos und wird somit an drei Tagen pro Woche auf der Erba-Insel nicht mit einer warmen Hauptspeise versorgt. Über die Hälfte der Befragten hat zum Thema Veganismus eine positive Meinung, doch nur 68 der 378 Teilnehmer könnten sich vorstellen, vegan zu leben und 14 ernähren sich tatsächlich vegan. 44 Antwortende haben Veganismus als Option zumindest schon einmal ausprobiert. Nicht selten werden Bedenken genannt, dass eine ausgewogene Ernährung ohne tierische Produkte nicht möglich sei. „Vegane Ernährung ist auch ein Trend, aber nur bedingt zu empfehlen. Wenn man auf hochwertige Produkte achtet und genügend Hülsenfrüchte, Samen, Nüsse und Pflanzenöle zu sich nimmt, kann es funktionieren”, meint Ernährungsberaterin Haberecht.

Alles falsch?

Andererseits kann sich rund ein Viertel nicht vorstellen, ganz auf Fleisch zu verzichten, 14 Prozent konsumieren sogar mehr als vier Mal die Woche Fleisch. Laut Ernährungswissenschaftlerin Anne Graßkemper kann sowohl übermäßiger Fleischkonsum als auch völliger Fleischverzicht der Gesundheit schaden: „Insgesamt ist es einfacher, sich bei bewusster Mischkost bedarfsgerecht zu ernähren.” Ähnlich äußert sich Haberecht, die vor überhöhtem Fleischkonsum warnt, der Entzündungen fördern könne. „Im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung spricht aber nichts gegen Fleisch.” Bewusste Ernährung bedeutet jedoch nur für ein Drittel der Studierenden, auf Vitamine oder eine kalorienarme Nahrungsaufnahme zu achten. So haben 56,5 Prozent der Befragten noch nie eine Diät ausprobiert. Unter allen anderen ist Low Carb mit Abstand die beliebteste Ernährungsweise. Haberecht hat keine hohe Meinung von dieser Diät: „Low Carb ist am besten für Diabetiker geeignet. Meistens werden dann statt Kohlenhydraten zu viele Fette und Eiweiße konsumiert. Das schadet der Darmflora.”

Nachhaltig gesättigt

Das Thema Nachhaltigkeit und Regionalität spielt hingegen für einen großen Teil der Studierenden eine bedeutende Rolle. Mehr als drei Fünftel geben an, Herkunft und Produktion für ein Element bewusster Ernährung zu halten. Unter Humanwissenschaftlern liegt der Anteil sogar über 75 Prozent. Die Bamberger Mensen versuchen deshalb laut Zielke, ihr Angebot auf die Wünsche der Studierenden abzustimmen. So besteht beispielsweise eine Kooperation mit der Fachschaft Ökologie in Würzburg, in deren Rahmen Aktionen wie etwa vegane Wochen geplant werden. Um die Umwelt nicht zu belasten, sollen möglichst alle Gerichte verkauft und daher bedarfsgerecht aufgewärmt werden. „Wir verwenden auch krumme Gurken und produzieren nachhaltig, nicht für die Tonne”, betont der Speisebetriebsleiter. Salate und anderes Gemüse werden regional eingekauft, obwohl sie dadurch zum Teil auch teurer sind. Dennoch gehört es zur Aufgabe der Mensaleitung, für eine angemessene Preisgestaltung zu sorgen. Fast 70 Prozent der befragten Studierenden kommen mit weniger als 50 Euro pro Woche für Lebensmittel aus und verzichten dementsprechend normalerweise auf allzu exklusive Genüsse. Eintönig muss das Studentenessen dennoch nicht sein: Die Frage nach verrückten Mahlzeiten bringt nicht nur fremdländische Spezialitäten wie Frosch, Känguru oder Krokodil zu Tage. Auch kreative Kombinationen wie Nutella mit Weißwurst, Gurken oder Pommes, Erdbeeren mit Mayonnaise, Pizza mit Schokolade und „Selbstgekochtes meines Mitbewohners” wurden schon von Bamberger Studierenden verzehrt. Dafür quält sich auch der faulste Student aus dem Bett.

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